In diesem Beitrag soll es rund um den Tarifvertrag gehen. Über das antworten der am häufigsten gestellten Fragen möchte ich somit einen besseren Überblick, über diese durchaus sehr interessante Thematik bieten. Schließlich betreffen Tarifverträge im Gegensatz zu Arbeitsverträge keine einzelnen Arbeitnehmer, sondern werden für das Kollektiv abgeschlossen. Arbeitsrechtliche Regelungen rund um den Tarifvertrag findet man zum Großteil im Tarifvertragsgesetz (TVG) auf das ich nachfolgend immer wieder verweisen werde.
Wer kann Tarifverträge anschließen?
Tarifverträge können Tarifvertragsparteien abschließen. Diese sind nach § 2 I TVG:
- Gewerkschaften
- Einzelne Arbeitgeber
- Vereinigungen von Arbeitgeber
Mit entsprechender Legitimation können ebenfalls Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitsgeber (Spitzenorganisationen) Tarifverträge abschließen (§ 2 II TVG).
Dass überhaupt ein Recht auf den Abschluss von Tarifverträgen besteht, ist auf die so genannte Koalitionsfreiheit zurückzuführen, die man in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes wiederfindet.
Für wen gilt ein abgeschlossener Tarifvertrag?
Laut Gesetzt sind an den Tarifvertrag lediglich die Mitglieder der Tarifsvertragsparteien und der Arbeitgeber gebunden. Auf Arbeitnehmerseite gilt ein Tarifvertrag also prinzipiell nur für die Mitglieder der Gewerkschaft. In der Realität kommen aber in der Regel auch alle andere Arbeitnehmer in den Genuss der ausgehandelten arbeitsrechtlichen Regelungen. Dies liegt zum einen darin begründet, dass der Arbeitgeber gar nicht fragen darf, ob man in einer Gewerkschaft ist oder nicht. Und selbst wenn er die Kenntnis hätte und die Nichtmitgliedern entsprechend „benachteiligt“ behandeln würde, müsste er damit rechnen, dass sich die Nichtmitglieder schnell der entsprechenden Gewerkschaft anschließen, um so auch von den herausgehandelten Regelungen zu profitieren. Und daran ist nun wirklich keinem Arbeitgeber gelegen. Oft nimmt der Arbeitgeber deshalb eine entsprechende Klausel in den Arbeitsvertrag auf, die besagt, dass auch Regelungen aus einem abgeschlossenen Tarifvertrag für diesen Arbeitnehmer gelten sollen.
Eine Ausnahme ist, wenn ein Tarifvertrag vom Bundesministerium für Allgemeinverbindlich (§ 5 TVG) erklärt wurde. Dann gelten die Regelungen dieses Tarifvertrags auch für nicht tarifgebundene Firmen und Beschäftigte.
Welchen Stellenwert hat der Tarifvertrag?
In der Normenpyramide des Arbeitsrechts findet man den Tarifvertrag etwa in der Mitte wieder. Sprich er steht im Stellenwert über Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung, aber unter Rechtsverordnung, Gesetzen oder deutsches Verfassungsrecht bzw. Europarecht.
Dennoch können Arbeitsverträge Vorrang vor einem Tarifvertrag oder Tarifverträge Vorrang vor Gesetzen haben. Zum einen Mal ist das der Fall, wenn die Regelung der niedrigeren Stufe günstiger ist als die Regelung von der höheren Stufe (Günstigkeitsprinzip). Zum anderen kann es auch sein, dass ein Gesetz eine Abweichung durch einen Tarifvertrag vorsehen und dementsprechend eine sogenannte Öffnungsklausel besitzen.
Welche Tarifverträge gibt es?
Tarifvertrag ist nicht gleich Tarifvertrag. Man unterscheidet Tarifverträge nach deren Inhalte, deren Laufzeit, deren Wirkungsweise und auch danach, wer sie überhaupt abschließt. Nachfolgend eine Aufzählung der wichtigsten Tarifvertragsarten:
- Entgelttarifverträge (Regelungsgegenstand: Löhne, Gehälter, Ausbildungsvergütung …)
- Entgeltrahmenverträge (Regelungsgegenstand: Rahmenbedingungen von Entgelte, wie Entlohnungsgrundsätze (Zeitlohn, Akkordlohn, …) oder Entgeltgruppen)
- Manteltarifverträge (Regelungsgegenstand: Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses, wie Arbeitszeit, Urlaub, Entgeltfortzahlung bei Krankheit usw.)
- Beschäftigungssicherungstarifverträge (Regelungsgegenstand: Sicherung und Erhaltung von Arbeitsplätze)
- Ergänzungstarifverträge (Regelungsgegenstand: Ergänzung des Flächentarifvertrags)
- Flächentarifvertrag (Regelungsgegenstand: Abschluss für einen fachlichen und räumlichen Bereich)
- Haustarifvertrag/Firmentarifvertrag (Regelungsgegenstand: Abschluss eines Tarifvertrags zwischen einem Unternehmen und einer Gewerkschaft)
- Anerkennungstarifvertrag (Regelungsgegenstand: Besondere Form des Haustarifvertrags, bei dem ein Unternehmen, das nicht Mitglied im Arbeitgeberverband ist, dem Flächentarifvertrag übernimmt, bzw. eben „anerkennt“)
Was passiert nach dem Ablauf eines Tarifvertrages?
Nach § 4 V TVG gelten die Normen eines abgelaufenen Tarifvertrags so lange weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Diese Regelung gilt aber nur für die Arbeitnehmer, die schon Mitglieder der Gewerkschaft während der Laufzeit des Tarifvertrags waren. Arbeitnehmer die während der Laufzeit noch nicht Mitglied waren oder erst nach dem Auslauf des Vertrages eingestellt wurden, können sich nicht auf die Weitergeltung berufen.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber aus dem Arbeitergeberverband austritt?
Eine interessante Frage ist auch, was passiert, wenn der Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband austritt, der für den Arbeitgeber stellvertretend den Tarifvertrag abgeschlossen hat. Auch auf diese Frage hat das Gesetz eine Antwort. Die erste entscheidende Regelung findet sich in § 3 III TVG. Dort heißt es, dass die Tarifgebundenheit bestehen bleibt, „bis der Tarifvertrag endet“. Der Austritt ändert an der Gültigkeit des Tarifvertrags also erst einmal nicht. Der Arbeitnehmer muss darauf warten, bis der Tarifvertrag ausläuft und so endet. Tarifverträge die nach seinem Austritt zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband abgeschlossen werden, gelten für ihn aber natürlich nicht. Selbst nach dem Ablauf des Tarifvertrags kann dieser ab noch weiter für den Arbeitgeber wirken. Denn gemäß § 4 V TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags auch nach Ablauf so lange weiter, „bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden“.
Was ist ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag?
Wie der Name schon sagt, ist ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag allgemeinverbindlich 🙂 Das bedeutet, dass der Tarifvertrag nicht nur für die Tarifvertragsparteien gilt, sondern auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber betrifft, für die bisher der Tarifvertrag nicht gegolten hat. Geregelt ist die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen in § 5 TVG.
Ein Tarifvertrag kann nur das Bundesministerium für Arbeit und Soziales „im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären.“ Dafür sind allerdings Voraussetzungen zu erfüllen. Bis zum Jahr 2014 war dies zum eine Beschäftigung von mind. 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer durch die tarifgebundenen Arbeitgeber. Dieses Quorum wurde allerdings durch das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie aufgehoben. Ersetzt wurde dieses durch einen benötigten gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien. Geblieben ist hingegen die Anforderung des öffentlichen Interesses. Dies ist nach dem Gesetz in der Regel in folgenden zwei Fällen gegeben, falls:
- der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
- die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.
Siehe für die alte Fassung mit der 50% Regel: https://www.buzer.de/gesetz/864/al45059-0.htm